Vorläufiges Insolvenzverfahren über Wirecard AG eröffnet

Die Wirecard AG hat beim beim Amtsgericht München Insolvenz angemeldet. In einer Unternehmensmitteilung vom 25. Juni 2020 heißt es, dass der Vorstand der Wirecard AG entschieden habe, wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Es werde auch geprüft, ob Insolvenzanträge für Töchter der Wirecard-AG gestellt werden müssen.

Damit ist der einstige Börsenliebling endgültig abgestürzt. Die Anleger stehen vor einem finanziellen Desaster, nachdem der Kurs der Wirecard-Aktie in den vergangenen Tagen ohnehin schon stark eingebrochen war.

Die Insolvenz der Wirecard AG kommt nach den jüngsten Ereignissen nicht überraschend. Zunächst konnte der Konzern vor wenigen Tagen zum wiederholten Mal keinen Jahresabschluss für das Jahr 2019 vorlegen, dann musste der neue Vorstand einräumen, dass 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten bei philippinischen Banken liegen sollten, wahrscheinlich gar nicht existieren. Die Gesellschaft war von der Existenz der Konten ausgegangen und hatte sie als Aktivposten geführt.

Die Staatsanwalt München I hat Ermittlungen aufgenommen. Sie wirft dem ehemaligen Wirecard-Chef vor, Bilanzen künstlich aufgebläht zu haben. Zudem gibt es Ermittlungen wegen Falschinformationen von Anlegern in zwei Ad-hoc-Mitteilungen.

Über mögliche Bilanzmanipulationen hatte die britische Financial Times schon vor einem Jahr berichtet. Die Berichte hatte das Unternehmen immer als haltlos zurückgewiesen. Nun musste es einräumen, dass 1,9 Milliarden Euro wahrscheinlich nicht existieren. Da Wirecard keinen Jahresabschluss vorlegen konnte, hatten die Gläubigerbanken das Recht, Kredite über zwei Milliarden Euro fällig zu stellen.

Die Insolvenz trifft die Anleger der Wirecard AG hart. Zu Hochzeiten war die Aktie mal ca. 200 Euro wert und ist nun brutal abgestürzt. „Angesichts der Ereignisse können die Anleger aber ihre Ansprüche auf Schadensersatz prüfen. Die richten sich in erster Linie gegen die Unternehmensverantwortlichen und die Wirtschaftsprüfer, die die Bilanzen jahrelang durchgewunken haben, obwohl es offenbar Unregelmäßigkeiten gab“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.

AG München eröffnet das Insolvenzverfahren

Das Amtsgericht München hat das vorläufige Insolvenzverfahren über die Wirecard AG am 29. Juni 2020 eröffnet (Az.: 1542 IN 1308/20). Zum vorläufigen Insolvenzverwalter hat das Gericht den Münchener Rechtsanwalt und Sanierungsexperten Michael Jaffé bestellt. Seine Aufgabe ist nun u.a. festzustellen, ob die Insolvenzmasse ausreicht, um das Insolvenzverfahren regulär zu eröffnen. Ist dies der Fall, können die Gläubiger, Aktionäre und Anleihe-Anleger oder Inhaber anderer Derivate der Wirecard AG ihre Ansprüche zur Insolvenztabelle anmelden.

Hoffnungen auf eine hohe Insolvenzquote sollten sich die Anleger nicht manchen. Dafür sind die Verbindlichkeiten der Wirecard AG zu hoch. Wie Capital.de berichtet, belaufen sich allein die Bankkredite des Unternehmens auf 1,6 Milliarden Euro. „Selbst wenn es gelingt einige Filetstücke des Unternehmens zu verkaufen, wird die Insolvenzmasse kaum ausreichen, um die Forderungen aller Gläubiger auch nur ansatzweise zu bedienen“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte. Besonders bitter sieht es für die Aktionäre aus: Ihre Forderungen werden erst ganz zum Schluss bedient. „Dann wird es aus der Insolvenzmasse wohl nicht mehr viel zu verteilen geben“, so Rechtanwalt Seifert.

Anleger sollten ihre Forderungen zur Insolvenztabelle dennoch anmelden sobald das möglich ist. Um die drohenden hohen finanziellen Verluste zu vermeiden, sollten sie ihren Blick aber vor allem Richtung Schadensersatzansprüche lenken. Hier rücken immer mehr die Wirtschaftsprüfer in den Fokus.

Wie die Wirecard AG vor dem Insolvenzantrag einräumen musste, existieren 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten auf den Philippinen liegen sollten, vermutlich nicht. Und es hat sie wahrscheinlich auch nie gegeben. Für den Jahresabschluss 2019 haben die Wirtschaftsprüfer zwar ihr Testat verweigert. Aber in den Jahren zuvor haben die Wirtschaftsprüfer die vorgelegten Zahlen immer wieder bestätigt und ihr Testat erteilt. „Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Prüfungen viel zu lasch und oberflächlich waren“, so Rechtsanwalt Seifert.

Aktionäre und andere Wirecard-Anleger haben natürlich auf die Richtigkeit der Zahlen und die Testate der Wirtschaftsprüfer vertraut. „Haben die Wirtschaftsprüfer die Zahlen nur nachlässig geprüft, können sie gegenüber den Investoren in der Haftung stehen“, erklärt Rechtsanwalt Seifert. Anspruchsgegner können auch Vorstände oder Aufsichtsräte der Wirecard AG sein, die auch mit ihrem privaten Vermögen in der Haftung stehen können.

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